Das Wunder von Berlin by Brown Daniel James

Das Wunder von Berlin by Brown Daniel James

Autor:Brown, Daniel James [Brown, Daniel James]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Riemann Verlag
veröffentlicht: 2015-04-28T16:00:00+00:00


Kapitel 11

Auch Ruderer, die sich im Studium geistig und körperlich fit machen, spüren diesen Tatendrang … ich denke, Ruderer wissen, wovon ich rede. Es ist einfach so. Ich kenne Ruderer – einmal habe ich tatsächlich einen gesehen, der so voller Tatendrang war, so fit und hellwach, dass er eine Wand hinauflaufen wollte. Ist das nicht witzig? Aber er fühlte sich einfach so gut und wollte diese Wand hinauf.

– George Yeoman Pocock

Stotternd und spuckend kroch Joes alter Franklin die lange, steile Straße zum Blewett-Pass in den Cascade Mountains hinauf. Auf der Schattenseite der höheren Gipfel lag noch Schnee, und es war kühl. Der Franklin kämpfte mit der Steigung, und Joe war sich nicht sicher, ob er es nach oben schaffen würde. Es schien schon ewig her zu sein, dass er sein Banjo und einige Kleider auf den Rücksitz gepackt und sich für den Sommer von Joyce verabschiedet hatte und auf der Suche nach Arbeit in Richtung Osten aus Seattle hinausgefahren war.

Er schaffte es dann doch über den Pass und fuhr auf der anderen Seite durch trockene Kiefernwälder zu den Apfel- und Kirschplantagen von Wenatchee hinunter. Schwarz-weiße Elstern flogen zwischen den Kirschbäumen hin und her auf der Suche nach reifen, roten Früchten. Auf einer schmalen Eisenbrücke überquerte Joe den Columbia River und fuhr das tief eingeschnittene Flusstal zu den sanft gewellten Weizenfeldern des Columbia Plateau hinauf. Die Straße führte schnurgerade und scheinbar endlos durch jadegrüne Felder.

Zuletzt wandte er sich nach Norden und fuhr in die Scablands von Washington hinunter, eine bizarre, durch Wasserfluten vor zwölf- bis fünfzehntausend Jahren geformte Landschaft. Gegen Ende der letzten Eiszeit war wiederholt ein mehrere hundert Meter hoher Damm aus Eis gebrochen, der die Wassermassen eines riesigen Sees in Montana – von Geologen später Lake Missoula genannt – aufstaute, und unvorstellbar große Wassermassen hatten das Land überschwemmt. Einmal hatten innerhalb von achtundvierzig Stunden 220 Milliarden Kubikmeter Wasser einen großen Teil des heutigen nördlichen Idaho, des östlichen Washington und des Nordrands von Oregon überschwemmt, über das Zehnfache des Durchflusses sämtlicher Flüsse der Welt. Eine zum Teil über dreihundert Meter hohe, massive Wand aus Wasser, Erde und Steinen fegte mit einer Geschwindigkeit von bis zu hundertsechzig Stundenkilometern tosend über das Land hinweg in Richtung Südwesten und Pazifik. Sie planierte ganze Berge, schwemmte Millionen Tonnen Mutterboden fort und fräste tiefe, »coulees« genannte Rinnen in das darunterliegende Felsgestein.

Joe fuhr in die größte dieser Rinnen hinunter, das Grand Coulee, und tauchte in eine fremdartige, aber auch merkwürdig schöne Welt ein – eine Welt aus geborstenen Felsen, indianischem Salbei, schütteren Wüstengräsern, Sandverwehungen und Krüppelkiefern. Unter dem hellblauen Himmel fuhr er am Fuß senkrecht aufragender Basaltfelsen entlang. Hasen so groß wie kleine Hunde hoppelten über die Straße, dürre Kojoten stahlen sich durch die Salbeisträucher davon. Staubteufel tanzten über den Talboden, und ein trockener Wind blies erbarmungslos durch das achtzig Kilometer lange Tal. Mit ihm kamen der süße Duft des Salbeis und der scharfe mineralische Geruch des geborstenen Gesteins.

Joe fuhr das Coulee entlang bis zu dem in kürzester Zeit aus dem Boden gestampften Ort Grand Coulee



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